Was mache ich bei Störungen und Schwierigkeiten in Werkstatt und Küche?


Lautes Geschrei und über Tische und Stühle springende Schüler*innen sind ein “Alptraum” sowohl für Lehranfänger*innen als auch für erfahrene Lehrer*innen. Das solche Träume Teil der Schulwirklichkeit sind, erleben Lehrende fast jeden Tag. Von einfachem Zwischenrufen, Scherzen, lautem Sprechen mit den Klassenkameraden, bis hin zu ernsthaften Konflikten, wie lautem Schreien, Türen knallen und manchmal sogar körperlicher Gewalt, ist alles im Unterricht anzutreffen. Unterrichtsstörungen und ein professioneller Umgang damit, gehören wohl zu den unbeliebtesten und manchmal gefürchtetsten Erfahrungen im Praxissemester und im späteren Schulalltag. Teilweise wird es im Klassenzimmer so laut, dass man sich gegenseitig nicht mehr versteht oder man hat das Problem, dass einige Schüler*innen den Lehreranweisungen überhaupt nicht mehr Folge leisten. In solchen Situationen ist man schnell überfordert und fühlt sich hilflos. Auch wenn man solche Situationen häufiger erlebt, braucht man weder an sich selbst zweifeln, noch die Schüler*innen verteufeln. Die folgenden Ausführungen sollen euch Anregungen für einen produktiven Umgang mit Unterrichtsstörungen geben. Aber was ist überhaupt eine Unterrichtsstörung?

Grundsätzlich handelt es sich bei Unterrichtsstörungen um all jene Ereignisse, die den Prozess des Lernens und Lehrens beeinträchtigen, behindern, zeitweise unterbrechen oder vollkommen unmöglich machen. Dies geschieht vor allem, indem die grundlegenden Bedingungen und Voraussetzungen, die den Unterricht überhaupt erst ermöglichen, zum Teil oder komplett nicht mehr gegeben sind. Dabei kann bspw. zwischen verschiedenen Auslösern von Störungen unterschieden werden, zu denen sowohl die Lehrkraft selbst, als auch die Schülerinnen und Schüler, oder äußere Faktoren der Umgebung gezählt werden. Nach Lohmann (2015) lassen sich Störungen in vier Kategorien einteilen. Hierzu gehört zum einen “verbales Störverhalten”, zu welchem bspw. unerwünschte Zwischenrufe gehören. Darüber hinaus gibt es die Kategorie “mangelnder Lerneifer”, mit der bspw. die Beschäftigung mit nicht unterrichtsrelevanten Tätigkeiten gemeint ist. Weiterhin gibt es laut Lohmann “motorische Unruhe”, wie bspw. zappeln, oder durch den Raum gehen, und “aggressives Verhalten”, wie Beleidigungen oder körperliche Angriffe. Ganz grundsätzlich ist hierbei anzumerken, dass es sehr unterschiedlich ist, was von einer Lehrkraft als Störung empfunden wird und, dass diese Wahrnehmung sich auch noch je nach Situation, persönlichem Befinden und der jeweiligen Vorerfahrung verändern kann. 

Das Fach WAT ist ein sehr praxisnahes und projektorientiertes Schulfach. Ob das gemeinsame Kochen in der Lehrküche oder das Anfertigen von Werkstücken in der Werkstatt. Im Fach WAT wird gesägt, geraspelt und geschnitten. Mit dem Einsatz von Küchengeräten und Maschinen in der Werkstatt sind aber auch besondere Sorgfaltspflichten verbunden. Damit ihr in den WAT-Fachräumen gut mit den Schüler*innen zusammenarbeiten könnt und einen produktiven Umgang mit Unterrichtsstörungen findet, haben wir das folgende Fallbeispiel und die nachfolgenden Praxistipps für euch zusammengestellt. 




Fallbeispiel: Die tanzende Pizza

Es ist Freitagmittag in der fünften Stunde. Herr N. hat mit zwölf Kindern Unterricht in der Lehrküche. Die Klasse hat letzte Woche gemeinsam beschlossen Pizza zu backen. Alle haben sich auf das Pizzabacken gefreut. Als Herr N. zur Lehrküche kommt stehen die Schüler*innen vor der Küche. Erol und Sabine schubsen sich und schreien sich gegenseitig an. Max sagt sie sollen aufhören und Finn feuert Sabine an. Sie soll Erol mal richtig eine knallen. Herr N. schließt die Küche auf und die Kinder rennen in die Küche. Ein Teil der Klasse packt seine Sachen in die dafür vorgesehene Ecke und wäscht sich die Hände. Erol und Sabine streiten sich weiter. Herr N. schiebt die beiden auseinander und sagt, dass sie doch beide Pizza backen wollen. Die meisten Schüler sitzen auf ihren Plätzen. Einige rennen rum. Herr N. ruft nun schon lauter, dass sich alle hinsetzen sollen. Nach 15 Minuten ist einigermaßen Ruhe eingekehrt. Dann werden die Gruppen eingeteilt und die Backrezepte ausgeteilt. Einige Kinder haben ihren Lieblingsbelag mitgebracht. Fritz und Erol haben nichts mitgebracht. Die Kinder machen sich in drei Gruppen ans Pizza backen. Es ist sehr laut in der Küche. Nach 45 Minuten sind die Pizzen belegt und sollen in den Ofen geschoben werden. Lisa und André streiten sich darum wer die Pizza in den Ofen schieben darf. Plötzlich fällt das Backblech herunter. Max, André und Erol lachen und tanzen laut singend um die Pizza herum. Herr N. verliert die Geduld und schreit die Schüler an. Sie sollen den Mist lassen und den Boden sauber wischen. Das Pizzabacken sei nun beendet und sie würden jetzt einen Test schreiben.


  

Lösungsvorschläge 

Der geschilderte Fall mag einem als Ausnahmesituation erscheinen. An manchen Schulen bzw. in einigen Klassen gehören solche Situationen aber zum Schulalltag. Der erste Gedanke der einem in den Kopf kommen mag, ist dass man einer solchen Situation nicht gewachsen ist und wie man in so einer Klasse überhaupt unterrichten soll. Als nächstes überlegt man sich eventuell verschiedene Szenarien wie man die Schüler bestrafen kann oder Sie durch Drohungen in den Griff bekommen kann. Frau Freitag (Buchautorin) gibt für solche Situationen gerne Tipps, die vorsehen damit zu drohen den Eltern einen Besuch abzustatten oder gleich Sechsen zu verteilen. Es mag sogar sein, dass dadurch der eine oder andere Schüler sich im Unterricht ruhiger verhält. Die Probleme löst es allerdings nicht!


Konflikte und Störungen haben immer eine Ursache. Bevor man die Ursache nicht klärt und gemeinsam eine Lösung findet werden die Störungen immer wieder auftreten. In dem geschilderten Fall hatten Erol und Sabine einen Streit. Da Herr N. direkt mit dem Unterricht anfangen will, übergeht er den Streit der Beiden. Dadurch setzt sich der Konflikt im Klassenzimmer fort. Deshalb ist eine wichtige Regel, die man beachten sollte : Störungen haben immer Vorrang. Man kann nur lernen und gemeinsam zusammenarbeiten, wenn man dafür bereit ist. Mit Wut im Bauch kann man nicht lernen. Eine weitere wichtige Regel lautet, dass jeder der an einem Konflikt bzw. einer Störung beteiligt ist, hat einen guten Grund dafür sich so zu verhalten. Zum Beispiel könnte Erol Lisa etwas weggenommen haben. Das macht Lisa natürlich wütend. Erol könnte das gemacht haben, da es ihm Spaß macht andere zu ärgern oder weil er vor den anderen Klassenkameraden zeigen wollte, dass er ein toller Typ ist. Wichtig ist es, den Konflikt zu klären, ehe man mit dem Unterricht anfängt. Zumindest sollte man mit den beiden sprechen und versuchen gemeinsam eine Lösung zu finden. Das kann auch sein, dass man nach dem Unterricht darüber spricht. Diese Vorgehensweise gilt für alle Störungen, die nach einem kurzen Hinweis weitergehen. Zum Beispiel bittet ihr die Schüler um Ruhe und nach einer Minute wird es wieder lauter. Die einfache Frage lautet: Was ist den heute los? Warum seid ihr den so unruhig? Am besten versucht ihr schon selbst zu überlegen was der Grund dafür sein könnte. Z.B: “Hey Leute seid ihr so unruhig, weil ihr euch schon aufs Wochenende freut?"

Bei einem Streit und bei Konflikten sind immer sehr starke Gefühle im Spiel. Zum Beispiel ist man wütend, weil man sich ungerecht behandelt fühlt oder traurig weil jemand sich über einen lustig gemacht hat. Wenn man starke Gefühle hat, ist es schwierig eine Lösung zu finden. Schließlich fühlt man sich im Recht. Deshalb ist es wichtig alle Gefühle ernst zunehmen. Egal wie absurd oder unpassend sie einem vorkommen. Also auch wenn um eine Pizza herumgetanzt wird. Wir Lehrenden haben natürlich auch Gefühle. Zum Beispiel ist man traurig und enttäuscht wenn mit Lebensmitteln nicht sorgsam umgegangen wird. Selbstverständlich kann und sollte man als Lehrer*in auch seine Gefühle äußern. Zum Beispiel so: Na, ihr habt hier ja richtig Spaß mit der Pizza. Findet ihr es lustig, dass Lisa und André ein Mißgeschick passiert ist. Das kann ich verstehen und irgendwie musste ich auch kurz lachen. Mir ist es aber auch sehr wichtig, dass wir mit Lebensmitteln gut und achtsam umgehen und da macht es mich traurig, wenn ihr hier weiter um die Pizza tanzt. Schaut mal Lisa ist eh richtig traurig ,weil Sie sich so auf die Pizza gefreut hat. Bitte seid so nett und helft den beiden jetzt beim Aufräumen und vielleicht könnt ihr den beiden was von eurer Pizza abgeben. Damit man in der beschriebenen Situation nicht gleich ausrastet, kann es helfen erstmal tief auszuatmen und sich die Situation in Ruhe durch den Kopf gehen zu lassen. Ein letzter wichtiger Tipp ist nicht mit Drohungen und Strafen zu arbeiten. Schließlich wollen alle gut zusammenarbeiten! Besser ist es zu sagen, was man sich für ein Verhalten wünscht und darum zu bitten. Letzten Endes kann man niemanden zu etwas zwingen.




Praxistipps zu Störungen in der Küche und Werkstatt

- gemeinsam mit den Schüler*innen darüber sprechen was als störend im Unterricht empfunden wird
- Versuchen Störungen/Konflikte zeitnah wahrzunehmen
- Störungen haben Vorrang
- Jeder hat für seine Störung einen guten Grund. Versucht gemeinsam die Gründe herauszufinden
- Achtsam mit den Gefühlen der Beteiligten umgehen
- Ruhig auch als Lehrer seine eigenen Gefühle äußern
- Gemeinsam nach Lösungen für die Störung und den Konflikt suchen
- Rücksicht auf die Bedürfnisse der Schüler*innen und die eigenen Bedürfnisse nehmen
- Gemeinsam mit den Schüler*innen einen Projekttag zum Thema Bedürfnisse im Unterricht durchführen


Besondere Regeln für Werkstatt und Küche

- gefährliches und fahrlässiges Verhalten sofort und deutlich unterbinden
- mögliche Risiken und Folgen von Störungen einprägsam verdeutlichen
- kleinere Störungen und Fehlverhalten, wie bspw. unaufgeforderte Wortmeldungen, zunächst
  ignorieren und lediglich auf angemessenes Verhalten lobend reagieren
- regelmäßige Sicherheitsunterweisungen vor der Stunde vornehmen und dabei die möglichen
  Risiken und Gefahren klar und deutlich vermitteln (bspw. mit Bildern)
- gemeinsames Entwickeln von Verhaltensregeln, die über die allgemein erforderlichen
  Sicherheitsvorschriften hinausgehen und diese im Raum gut sichtbar darstellen 
  (in der Küche bspw. als Wandbild, oder in der Werkstatt als Wandtafel aus Holz)
- bei anhaltenden Störungen, die die Sicherheit gefährden, kann es hilfreich sein Kolleginnen und
  Kollegen oder Sozialarbeitenden um Rat und Unterstützung zu bitten 



Störungen und Konflikte gehören zum Schulalltag. Es lohnt sich mit den Schüler*innen darüber zu sprechen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Wenn man im Unterricht versucht mehr Rücksicht auf die unterschiedlichen Bedürfnisse (nach Austausch, Lachen, Ruhe, Pause, Sinn, Rücksicht, Hunger, usw.) zu nehmen,kann man beobachten, dass im Unterricht weniger Störungen vorkommen und manche Störungen überhaupt gar nicht erst entstehen. Falls die Konflikte andauern und sich ständig Wiederholen können auch gemeinsame Gespräche mit den Schüler*innen und den Eltern sowie der Schulsozialarbeit sinnvoll sein.






Literaturhinweise zum Thema Unterrichtsstörungen 

Hillenbrand, C. (2011) : Didaktik bei Unterrichts- und Verhaltensstörungen : mit 11 Tabellen. 
München/Basel: Ernst Reinhardt Verlag. 

Keller. G. (2014) : Disziplinmanagement in der Schulklasse : wie sie Unterrichtsstörungen 
vorbeugen und bewältigen. Bern: Verlag Hans Huber. 

Lohmann, G. (2015) : Mit Schülern klarkommen : professioneller Umgang mit 
Unterrichtsstörungen und Disziplinkonflikten. Berlin : Cornelsen.

Rosenberg, M. (2013) : Gewaltfreie Kommunikation. Paderborn : Junfermann.

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